Es gibt sehr viele verschiedene Beweggründe für den Einstieg in die Direktvermarktung. Ich habe aus meinen eigenen Erfahrungen und die anderer Bauern eine Liste mit 10 Punkten zusammengetragen, um euch zu zeigen, unter warum sich der Einstieg in die Direktvermarktung lohnen kann. Jeder einzelne Punkt bringt seinen eigenen Mehrwert für dich und deinen Betrieb.
- Individuelle Preisgestaltung
- Stärkung des Tierwohls
- Mehrwert deiner Produkte
- Diversifizierung
- Kundenkontakt
- Betriebssouveränität
- Geschäftskontakte
- Qualitätssteigerung
- Freiheit
- Regionaler Strukturaufbau
1. Individuelle Preisgestaltung
Der fundamentalste Blickwinkel eines jeden Betriebs ist die Wirtschaftlichkeit. Am Anfang aller Überlegungen zum Umbau oder der Erweiterung deines Geschäfts stehen Kalkulationen. Neue Investitionen wie z.B. die Eröffnung eines Hofladens müssen ökonomisch sinnvoll sein und sich durch den zu erwartenden Absatz deiner Produkte nach und nach amortisieren. Denn am Ende des Tages muss jeder von uns seine Rechnungen bezahlen.
Wenn du die Vermarktung deiner Produkte in die eigene Hand nimmst, übernimmst du dadurch die Aufgaben des Handels, der Verarbeitung und des Vertriebs. Das heißt die Lieferketten verkürzen sich und die jeweiligen Margen bleiben bei dir. Gewissermaßen besitzt du als Direktvermarkter die Möglichkeit, alle Erlöse deiner Rohstoffe bzw. weiterverarbeiteten Produkte selbst zu gestalten, ohne dass dir Preise von außen aufdiktiert werden. Bei der Bestimmung deiner Preise solltest du deine Herstellungskosten fest im Blick haben, aber auch was dasselbe Produkt regulär im Handel kostet und wieviel deine Kunden bereit sind zu zahlen. Dadurch emanzipiert du dich mit deiner eigenen Produktion weitestgehend von den Rohstoffbörsen, den Spekulanten und dementsprechend auch vom Weltmarkt.
2. Stärkung des Tierwohls
Durch den Vertrieb deiner eigenen Produkte kannst du als Produzent frei entscheiden, welche Wege deine Waren gehen. Besonders im Bereich der Tierhaltung wird dieser Punkt immer wichtiger. Die Tiere kommen auf deinem Betrieb zur Welt oder als junge Tiere an deinen Hof, werden täglich umsorgt und gefüttert. Du stehst auch mal eine Krankheit mit ihnen durch und am Ende kommt ein Viehhändler und die Tiere verschwinden im Äther.
Färse Gockel
Viele Betriebe sind sehr unglücklich über die langen Transporte, zuweilen auch Exporte und die großen Schlachthöfe. Zudem wird man dem Tier durch die Verrammschung in der Anonymität des Supermarktregals oder als Burger Pattie in einer großen Fast Food Kette nicht gerecht.
Durch die Direktvermarktung übernimmst du nicht nur als Produzent, sondern auch als Verkäufer die Verantwortung für die Wege, die deine Produkte tierischen Ursprungs gehen. In Kooperation mit Metzgern oder Zerlegern deiner Region kannst du selbst Einfluss auf die Schlachtung nehmen und deinen Tieren möglichst kurze, oder im Falle des Weideschusses, gar keine Transporte ermöglichen.
3. Mehrwert deiner Produkte
Als Produzent für Großabnehmer bist du ausschließlich Rohstofflieferant und erhältst im Bereich der Verarbeitung keinen Einblick. Durch die Direktvermarktung dreht sich das komplett um. Marktschwankungen, Pandemien und nicht primär verkäufliche Rohstoffe machen die Weiterverarbeitung/Veredelung deiner Produkte erforderlich. Das führt dazu, dass du als Bauer selbst entscheiden kannst, was aus den Früchten deiner Arbeit entsteht. Auf diesem Weg lernst du ganz nebenbei auch noch mehr über dein Produkt.

In der Weiterverarbeitung geht es dann darum kreativ zu werden, Partner zu finden und zu experimentieren. Deiner Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Es ist ein sehr schönes Gefühl, wenn aus dem eigenen Rohstoff wie zum Beispiel Milch viele verschiedene Käsesorten, Butter, Milchschokolade oder ein Karamell entstanden sind. Oder wenn du deinen eigenen Obstbrand produzierst oder einen besonderen Jahrgang von deinem Honigwein ausbaust.
4. Diversifizierung
Durch den Einstieg in die Direktvermarktung ändert sich dein Alltag. Du übernimmst jetzt zusätzlich zur Rolle des Produzenten auch die Rolle des Verarbeiters, des Qualitätsmanagers, des Händlers, des Kundenbetreuers, des Ladenbetreibers, des Juristen, des Vertrieblers usw. lange Rede, kurzer Sinn: Zwangsläufig entstehen an deinem Betrieb viele neue Bedarfe, die es zu befriedigen gilt. Das ist vielfältig, aufreibend und letztlich ein großes Abenteuer.
Die Vermarktung ist ein großer Spielplatz, auf dem man ständig lernt, ausprobiert, mal gewinnt und mal verliert. Der Alltag als Direktvermarkter ist abwechslungsreich und herausfordernd. Du setzt dich nicht mehr nur mit der Natur und ihren Unwägbarkeiten auseinander, sondern auch mit den Menschen, der Bürokratie, den Marktmechanismen und den Lebensmitteln. Wenn du dich darauf einlassen kannst und die Herausforderung annimmst, kann die Direktvermarktung durch die Diversifizierung der am Hof anfallenden Tätigkeiten eine sehr große betriebliche und menschliche Bereicherung sein.
5. Kundenkontakt
Wenn du deine Waren selbst vertreibst, kommst du unausweichlich mit deinen Kunden in Kontakt. Egal ob es sich um Endkunden, Gastronomen oder Ladenbetreiber handelt. Das heißt, du musst mit vielen Menschen über deine Produkte reden. Du bekommst direkte und indirekte Rückmeldungen über die Wiederkäufe für deine Waren. Und vor allem: Du bekommst als Landwirt Anerkennung für deine Arbeit!
Wertschätzung macht sehr viel Freude und lässt einen in der Früh auch viel leichter aufstehen und am Ende sind es deine Kunden, die dich als Direktvermarkter besser machen. Du musst ihnen nur zuhören, Kritik und Wünsche annehmen und soweit wie möglich umsetzten. Deine Kunden werden dir sagen, was sie sich wünschen, sprich: was und in welcher Form sie von dir kaufen möchten. Auf diesem Weg kannst du stetig dein Sortiment verbessern und ausbauen.
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Bei uns zum Beispiel kamen über die Zeit so viele Anfragen nach Schweinefleisch, das wir uns ein paar Schweine eingestallt haben. Dadurch konnten wir unseren Kunden ihren Wunsch erfüllen, unseren Umsatz verbessern und einen neuen Betriebszweig aufgebauen.
Wenn deine Kunden ernst genommen werden, dann ist diese Art der Feedback-Schleife eine Win-Win Situation für beide Parteien. Es geht natürlich nicht darum, alles unmittelbar umzusetzen, was deine Kunden wollen. Das ist manchmal auch schlichtweg nicht möglich, aber wenn du deinen Kunden genau zuhörst, kannst du sehr viel über deine Kunden und auch deine Direktvermarktung lernen. Durch viele Gespräche vertiefst du die Beziehung zwischen deinen Kunden und deinem Hof. Wenn deine Kunden von deinem Konzept überzeugt sind, werden sie gern für deinen Hof und deine Produkte werben und jahrelang treue Kunden von dir sein.
6. Betriebs-Souveränität
Egal, ob du deine komplette Produktion selbst vermarktest oder nur einen Teil, beides führt zu einer Unabhängigkeit bzw. Teilunabhängigkeit von Handel, Politik und Wirtschaft. Wenn du bei einer Bank Geld anlegen möchtest, wird dir jeder Banker zu einer Anlagen-Diversifizierung raten, um das Risiko zu minimieren. Würdest du alles auf ein Pferd setzen, wäre die Ausfallwahrscheinlichkeit sehr hoch. Bei dem Einstieg in den Eigenvertrieb/Direktvermarktung ist das genau so. Du verteilst deine Risiken und baust dir eine größere betriebliche Sicherheit auf. Wenn du nur von einem Abnehmer abhängig bist, hängst du immer an dessen Tropf.
Du willst nur einen Teil deiner Ware selbst vertreiben? Dann kannst du dir überlegen, ob du zu den Endkunden parallel noch mit der Gastronomie oder dem Handel arbeiten willst. Suche dir in jedem Fall auch Geschäftskunden aus verschiedenen Branchen. Das verschafft dir die Sicherheit bei Verhandlungen nicht erpressbar zu sein.
7. Geschäftskontakte
Ohne ein Netzwerk, wird es teuer. Beziehungen sind in der Geschäftswelt unabdingbar und Teil des Erfolgs. Sei es der Hotelier, der dir Ware abnimmt, der Metzger, der dir Fleisch verarbeiten kann, der Bauer aus dem Nachbardorf, dessen Erdbeeren du im Hofladen verkaufst, der Industriebetrieb, der sich über einen Lebensmittelautomat auf seinem Gelände freut oder Künstler, die gerne bei einem Lagerfeuer-Konzert an deinem Hof auftreten. All das sind essentielle Beziehungen, die es braucht um erfolgreich zu sein. Miteinander Probleme lösen und voneinander lernen gehört auch dazu.
Andere Unternehmer kennen die brancheninternen Probleme und haben im Schadensfall sicher einen guten Rat zur Hand. Auch hier gilt das Prinzip der Gegenseitigkeit: Wer hilft, dem wird geholfen. Beziehungen musst du pflegen und darfst sie weder überstrapazieren noch vernachlässigen. Ab einem gewissen Punkt kommen über so ein Netzwerk neue Anreize, Verbesserungen und Aufträge.
Wir zum Beispiel arbeiten mit einem Hotel zusammen, zu dessen jungem Chef uns inzwischen eine enge Freundschaft verbindet. Mit der Zeit haben wir durch sein Netzwerk schon einige Vortragstätigkeiten an ganz anderer Stelle bekommen. Im Gegenzug, sind wir im Notfall mit unserer Ware ganz in der Nähe, um schnell auszuhelfen. Das gemeinsame Lernen und Wachsen mit anderen Unternehmern ist etwas sehr Bereicherndes, weil es nicht in der Theorie stattfindet, sondern im realen Geschäftsleben.
8. Qualitätssteigerung
Durch den direkten Verkauf deiner eigenen Produkte unterliegst du dem strengen Urteil deiner Kunden und Abnehmer. Niemand möchte gern mehr Geld ausgeben und einen höheren Aufwand betreiben (Anfahrt zum Hof u.a.) um ein Produkt von gleicher Güte oder gar minderer Güte wie im Supermarkt zu kaufen. Das führt dazu, dass du als Produzent und Verarbeiter immer mit größter Hingabe und enormen Qualitätsanspruch an die Sache rangehen musst. Natürlich spielen für deinen Vermarktungserfolg auch andere Dinge eine Rolle, aber wer keine Gute Qualität liefert, der wird nicht lange am Markt bestehen.
Hohe Qualität führt dazu, dass deine Kunden mit anderen Menschen über deine Produkte reden. Niemand erzählt von dem Steak, das wie jedes Steak aller Zeiten schmeckt. Wichtig ist auch, dass du nie stehen bleiben darfst, was den Anspruch an Qualität betrifft. Es dauert nicht lange und dann wird der Nächste kommen und es besser machen. Letztlich treibt uns alle genau dieser Mechanismus an. Wer beim Essen ein gewisses Qualitätsniveau gewöhnt ist, wird nur selten davon abweichen. Das heißt, Qualität ist einer der Hauptkomponenten der Kundenbindung. Und schlussendlich macht es auch als Erzeuger mehr Freude hohe Qualität für Kunden, die das wertschätzen, zu produzieren.
9. Freiheit
Alles, was dein Leben am und mit dem Hof betrifft, liegt in deiner Hand. Auch wenn du eine stabile Direktvermarktung aufgebaut hast, kannst du jeden Tag auf’s Neue in der Früh entscheiden, ob du deinen Betrieb aufgeben möchtest oder nicht. Bist du an Verträge gebunden? Dann geht das nicht so schnell. Als Direktvermarkter bist du aber in aller Regel dein eigener Chef. Du musst dich von keinem Großabnehmer knechten lassen, bestimmst deine Preise und Arbeitszeiten selbst.
Du kannst deine Betriebszweige jederzeit auflösen oder umbauen, ohne dass du jemandem Rechenschaft ablegen musst. Wenn sich ein Teilbereich nicht rechnet, kannst du daran arbeiten oder ihn einstampfen. Einzig die Natur- und Bundesgesetze sind dir noch übergeordnet. Über den Weg der Direktvermarktung wird es dir möglich sein, dich nach und nach aus allen Abhängigkeitsverhältnissen von Politik, Wirtschaft und Verbänden zu lösen. Dafür braucht es nur einen stabilen Absatz und ein weitreichendes Netzwerk.
10. Regionaler Strukturaufbau
Jeder Erzeuger, der direktvermarktet bespielt die regionale Infrastruktur vor Ort bzw. hält die Infrastruktur auf seinem eigenen Betrieb und trägt andere darauf mit. Dadurch ergeben sich Synergien, zwischen verschiedensten Erzeugern, Verarbeitern und Händlern. Und das führt dazu, dass durch jedes Produkt, welches in der Region produziert wird, die Wertschöpfung vor Ort steigt. Es werden neue Lohnstunden für die Beteiligten generiert und das Geld bleibt in der Umgebung. So stützen sich mehrere Betriebe gegenseitig und die Wirtschaft innerhalb der Region wird gestärkt. Wenn die Produkte dann bestenfalls vor Ort verkauft werden, ist der Geldkreislauf zumindest in Teilen geschlossen und kann unmittelbar zirkulieren.
Mit einer gesteigerten regionalen Wertschöpfung steigt der regionale Wohlstand, denn das Geld bleibt in der Umgebung, wird hier auch Kapital akkumuliert und das führt dazu, dass Geld für Investitionen in die Infrastruktur zur Verfügung steht. Im Gegensatz dazu, wird das Geld an ganz anderer Stelle akkumuliert, falls Großabnehmer die Rohstoffe abholen und den Wertschöpfungsprozess selbst übernehmen. Jeder Bauer, der vor Ort mehr aus seinen Produkten macht, ist automatisch eine Institution, die die Region in der er lebt, stärkt.
Fazit
Wenn du in die Direktvermarktung einsteigst, kannst du deinen Betrieb wesentlich krisensicherer und nachhaltiger strukturieren als wenn du auf ewig nur zulieferst. Du gewinnst mehr Freiheit. In der Landwirtschaft ist viel mehr möglich als es manchmal den Anschein hat.
Durch die Direktvermarktung bist du nicht mehr abhängig von der Struktur der Großabnehmer, sondern du selbst bist die Infrastruktur deiner eigenen Sache. Die Direktvermarktung gibt dir die Möglichkeit, deinen Betrieb nach eigenen Vorstellungen und deinen Fähigkeiten so zu gestalten, wie du es am liebsten hättest. Du kannst deinen Arbeitsalltag und alle Standbeine frei aufbauen.